Drachenfliegen



1. Wie ich zum Drachenfliegen kam

2. Drachen oder Gleitschirm

3. Chronologie eines Fehlstarts


1.

Ich kam zum Drachenfliegen....

"Wie die Jungfrau zum Kind"...
(geschrieben im Jahr 2000)



Bis ich 28 Jahre alt war, hatte ich mein ganzes Leben noch nie einen ernsthaften Gedanken daran verschwendet einmal Pilot eines Fluggerätes zu werden.

Meine Eltern hatten mir schon als Kind vermittelt, daß Flugzeuge, Pilotenausbildungen und überhaupt alles was mit dem Fliegen zu tun hat, sehr teuer ist -- viel zu teuer für 'einfache Leute' wie wir es sind.

Von meinem Taschengeld hatte ich mir einmal ein Segelflug- Modell gekauft (den "kleinen UHU"), dies war jedoch eines ohne Fernsteuerung, so daß man es also nicht aktiv fliegen konnte, sondern eben nur mit voreingestellten Rudern in die Luft beförderte und zuschauen mußte, wohin es flog. Für ein Modell mit einer Fernsteuerung reichte mein Taschengeld natürlich nicht, und ich wußte damals auch nur, daß eine Fernsteuerung wohl sicherlich auch zu teuer sein würde, um sie von meinen Eltern geschenkt zu bekommen.

Fliegen war also genau ab dem Punkt nur noch etwas für 'Reiche', ab wo es eigentlich erst richtig begonnen hätte...

Dies war die erste Blockade!

Trotzdem habe ich als Kind immer voller Begeisterung fliegende Flugzeuge bewundert, je tiefer desto lieber! Ein Flugplatz, wo man diese Maschinen auf dem Boden vorfindet und sie aus der Nähe bestaunen kann, war für mich schon immer ein Ort voller Faszination! Wenn ich dann auch noch Starts und Landungen sah, war ich immer über glücklich.

Ich hatte bis zum 14. Lebensjahr schweres Asthma und war, bedingt durch die Atemnot und die vielen Medikamente, schon immer der Kleinste und Schwächste unter den Kindern in meiner Altersgruppe (Im Alter von 15 Jahren wurde das Asthma dann viel besser, wenn gleich es leider nicht ganz verschwand.).

Ich hatte immer wieder Gerüchte gehört, wie absolut gesund man sein müsse, um Flugzeuge fliegen zu dürfen, so auch z.B. das Gerücht, daß man keine Plomben in den Zähnen haben dürfte. Für mich als 'altem Asthmatiker' war stillschweigend erneut klar, daß die Fliegerei auch aus gesundheitlichen Gründen für mich auf keinen Fall in Frage kommen könne.

Dies war die zweite Blockade!

Als Kinder kletterten wir auf Bäume und sprangen von Garagendächern. Bei diesen und ähnlichen Aktionen lernte ich mich als überdurchschnittlich ängstlichen Mensch kennen (was eventuell auch mit der krankheitsbelasteten Kindheit zu tun hatte...). Es war mir, warum auch immer, irgendwie klar, daß man als Pilot besonders mutig sein müsse, zumindest aber mutiger, als so ein ängstlicher Mensch wie ich es bin!

Dies war die dritte Blockade!

Wann ich bewußt bemerkte, daß ich Höhenangst habe, weiß ich nicht mehr. Es war jedoch schon recht früh in meinem Leben, und es wurde mit zunehmendem Alter eher schlimmer (also z.B. ohne Panik von Balkonen mit niedrigen Geländern oder von Aussichtstürmen auf Berggipfeln herunter zu schauen.).

Daß man als Pilot natürlich absolut keine Höhenangst haben darf, schien sich für mich wie von selbst zu verstehen!

Dies war die vierte Blockade!

***

Zusammenfassend hatte ich also vier große Blockaden in mir, welche dagegen sprachen, daß ich jemals ein Flugzeug steuern würde:

1.) Die ganze Fliegerei ist viel zu teuer für den 'Durchschnittsmensch'.

2.) Für die Fliegerei kommen nur die Gesündesten in Frage.

3.) Als Flugzeug- Pilot braucht man viel Mut.

4.) Piloten dürfen (natürlich...) keine Höhenangst haben!

Aufgrund dieser vier Blockaden, bei denen es sich, wie sich später für mich herausstellte, um vier Mißverständnisse handelt, wurde ich also wie Anfangs schon erwähnt, 28 Jahre alt, ohne auch nur im Traum daran zu denken, daß ich jemals Pilot eines Flugzeuges werden könnte.

Dann geschah folgendes:

Ich hatte mich verliebt! Diese Frau meiner (derzeitigen...) Träume erzählte mir irgendwann während eines Spazierganges, daß sie einen Drachenfluglehrer am Chiemsee kennt, und daß dieser Drachenfluglehrer ihr schon öfters angeboten hatte, ihr KOSTENLOS das Drachenfliegen beizubringen, sie bräuchte bloß ein mal für zwei Wochen an den Chiemsee kommen.

Ich war sehr verblüfft! -- Fliegen lernen, -- und das KOSTENLOS?!?!

Ohne daß ich es bewußt bemerkte, war die erste Blockade schlagartig durchbrochen.

Ich stellte mir vor mit meiner Angebeteten zwei Wochen am Chiemsee zu verbringen, und ich fand diese Vorstellung äußerst aufregend. Also fragte ich sie, ob sie ihren Drachenfluglehrer nicht einmal fragen könnte, ob er sein Angebot auch auf mich ausweiten würde, wobei ich wie gesagt (fast...) ausschließlich den gemeinsamen Aufenthalt (nebst Übernachtungen...) am Chiemsee im Kopf hatte, und nicht die Fliegerei, zu der ich ja wegen mangelnder Gesundheit, mangelndem Mut und vor allem wegen meiner Höhenangst sicherlich nicht taugen würde.

Aber ich konnte ja erst einmal so tun als ob, (fast...) nur um den gemeinsamen Chiemsee- Urlaub zu ermöglichen, und wenn sich dann meine mangelnde Gesundheit, der mangelnde Mut oder die Höhenangst (die drei verbliebenen Blockaden...) dem Fliegen- Lernen in den Weg stellen würde, könnte ich ja jederzeit abbrechen, und wäre dennoch mit meiner (derzeitigen...) Traumfrau für die zwei Wochen am Chiemsee...!

Es kam aber dann (wie so oft im Leben...) alles ganz anders!:

Sie fragte ihren Bekannten vom Chiemsee viele Wochen lang nicht, und während ich sie immer mal wieder daran erinnerte, entwickelte sich unsere Verliebtheit anders als erwartet: Sie erklärte mir (schließlich...), daß sie niemals monogam leben könne, was aber andererseits genau meine 'Veranlagung', bzw. mein Wunsch war und ist.

Kurz gesagt, die Beziehung zwischen uns kam gar nicht zustande, und mit ihr (der Beziehung) versickerte auch das Chiemsee- Unternehmen stillschweigend im Sande...

Später entstand dann eine Beziehung zwischen ihr und einem guten Freund von uns (welche übrigens inzwischen seit 13 Jahren besteht, und in welcher sie monogam lebt [zumindest soweit mir bekannt ist...]...).

Kurz bevor ich die erhoffte Chiemsee- Reise dann endgültig abhakte und alles damit zusammenhängende vergaß, überlegte ich mir, auf was genau ich mich denn da eigentlich hätte einlassen wollen mit diesem Drachenfligen- Lernen.

Der ganze romantische 'Hintergrund' meiner Motivation für die Reise an den Chiemsee war ja nun weg.

Erneut kam ich zum Ergebnis, daß es (zumindest) an zwei Dingen scheitern werden würde, daß aus mir ein Drachenflieger werden könnte, und das waren:

1. meine Ängstlichkeit, bzw. Vorsicht oder mangelnder 'Mut', und

2. meine unbestreitbare Höhenangst!

Daß meine Gesundheit und Kraft für das Drachenfliegen ausreichend sein könnte, das konnte ich mir eventuell gerade noch vorstellen.

Soweit hatte ich ja eigentlich schon einmal gedacht, als ich noch mit meiner 'Angebeteten' zum Chiemsee wollte. Und nun dachte ich weiter:

Was mit ihr gemeinsam funktioniert hätte, daß ich nämlich die Drachenflugschulung jederzeit hätte abbrechen können, das würde ja bei genauer Betrachtung auch ohne sie funktionieren!

Ich bräuchte zudem auch gar nicht an den Chiemsee zu fahren, denn es müßte ja wohl auch Drachenflugschulen in der Nähe meines Wohnortes geben.

Wie sie wohl schauen würde und was sie wohl dazu sagen würde, wenn ich nun das Drachenfliegen einfach ohne sie, den Chiemsee und unsere Verliebtheit lernen würde, bzw. wenn ich dies zumindest versuchen würde?

Ich spürte einen gewissen Trotz in mir, der mir riet genau dies zu tun, alleine schon darum, damit ich ihr im Nachhinein 'beweisen' könnte, daß es mir ja eigentlich überhaupt nicht nur um einen gemeinsamen Zwei- Wochen- Urlaub gegangen war...

Nun galt es also herauszufinden, wo denn in der Umgebung eine Drachenflugschule ist, und was denn eigentlich eine Drachenflugausbildung kostet.

Ich wußte, daß in der Nähe ein recht hoher Berg ist, von wo aus Drachenflieger starten. Als ich dann auf diesen Berg hochfuhr und den Drachenfliegern beim Starten zuschaute, konnte ich absolut nicht mehr verstehen, daß ich dies nicht schon früher getan hatte!

Ich schaute also immer wieder zu, wie die Drachenflieger auf der Holzrampe mit wenigen Laufschritten abhoben und wie sie anschließend über dem Berg ihre Kreise flogen.

Es wäre fantastisch, wenn ich dies eventuell auch einmal können würde, es war aber auch gleichzeitig wegen meiner Höhenangst und meinem Mangel an 'Mut' unvorstellbar.

Irgendwann 'getraute' ich mich dann einmal einen der Piloten anzusprechen, und ich fragte nach dem Preis der Ausbildung und einer in der Nähe befindlichen Drachenflugschule. Daraufhin erfuhr ich erst einmal, daß die Schulung in zwei Abschnitte gesplittet ist, wovon der erste "L-Schein" heißt, eine Woche dauert und ca. 500.-DM kostet, und der zweite dann der "A-Schein" ist, welcher ca. 800.-DM kostet (damals 1987...). Flugschulen gäbe es mehrere in der Umgebung.

Ich faßte innerlich den festen Entschluß, daß ich zumindest diesen L-Schein irgendwann machen würde, ich wußte bloß noch nicht wann.

Beruflich war ich als Kraftfahrer jeden Tag 12 Stunden außer Haus, und Urlaub war erst einmal nicht 'in Sicht'...

Also ging ich am Wochenende immer wieder auf diesen Berg und schaute beim Flugbetrieb zu.

Irgendwann fragte mich ein Pilot (es war der letzte, der an diesem Tag noch starten wollte), ob ich ihn "rauslassen" könnte. Ich fragte, was ich dabei zu tun hätte und war freudig erregt, daß ich nun einmal mit auf die Rampe durfte, wenn ein Drachenflieger startet, und daß ich nun einen Drachen einmal ganz aus der Nähe betrachten und sogar anfassen konnte!

Ich hielt den Drachen während er damit auf die Rampe ging wie er es mir gezeigt hatte, und dann wartete er auf günstigen Wind zum starten. Ich stand neben dem Drachen und dem Pilot, quasi Auge in Auge, als dieser plötzlich den Drachen aufnahm, mich noch einmal kurz ansah, "tschüß" sagte, im nächsten Moment loslief, direkt vor meinen geweiteten Augen sanft abhob und davon schwebte.

Da war ich nun hin und her gerissen, zwischen der Sehnsucht, daß ich das auch können will, und dem sicheren Gefühl, daß ich es wegen meiner Höhenangst und dem mangelnden 'Mut' wohl leider nicht schaffen würde...

Ich mußte unbedingt bald eine Gelegenheit finden, diesen L-Schein zu machen!!

Dann kam eins zum Anderen:

Ich bekam einen Monat Fahrverbot wegen einer Ordnungswidrigkeit, und mußte als Berufskraftfahrer also einen einmonatigen 'Zwangsurlaub' nehmen (unbezahlt versteht sich...). Ich saß daheim herum und wußte nicht sehr viel mit mir anzufangen, weil ich mich über die Situation ärgerte und es finanziell eine mittlere Katastrophe bedeutete.

In dieser Lage tauchte nun mein Freund auf (übrigens der, der mit meiner Ex-Verliebtheit zusammen war und immer noch ist) und sagte, daß es ja nicht mehr mitanzuschauen sei, wie ich daheim rumsitze und den Monat Fahrverbot abwarte, ohne irgend etwas mit mir und dieser Zeit anzufangen. Er schlug mir vor, mit ihm einen ein- oder zweiwöchigen Südfrankreichurlaub zu machen.

Ich wehrte sofort ab, denn meine Finanzen waren derzeit natürlich völlig erschöpft. Er sagte daraufhin (wie es nur echte Freunde tun!), daß er mir die 500.-DM, die ein solcher Südfrankreichurlaub kosten würde, gerne ausleihen könne, und daß ich es ihm auch erst wieder zu geben bräuchte, wenn ich es mir leisten kann.

Das war natürlich ein Angebot, das ich nun fast annehmen 'mußte'!

Da hatte ich plötzlich eine Assoziation:

Dieser Drachenflug L-Schein kostet doch ebenfalls 500.-DM, und die eine Woche, die er dauert, hätte ich ja momentan auch zur Verfügung... !!

Ich antwortete ihm also folgendermaßen:

"Gut, ich komme mit nach Südfrankreich und nehme auch dein Darlehen dankbar an, es sei denn, es würde gerade so ein Drachenflug- L-Schein stattfinden, den ich doch schon so lange gerne machen würde. Wenn also zufällig gerade so ein Kurs stattfindet, dann gehe ich nicht mnit nach Südfrankreich, bitte dich aber, mir das Geld dennoch zu leihen, in diesem Fall dann eben für die Kursgebühr."

Er willigte ein, und ich ging sofort zur Telefonzelle (mein Telefon war wegen Nichtbezahlung der Rechnung nämlich abgestellt...). Ich suchte einfach im Telefonbuch der Zelle unter "D" wie "Drachenflugschule", und ich fand gleich drei Einträge. Ich suchte mir wahllos einen davon heraus und rief an.

Auf meine Frage, wann denn wohl ein sogenannter "L-Schein" stattfinden würde, erhielt ich die Antwort, daß HEUTE einer begonnen hätte.

Ich war wie vor den Kopf geschlagen und irgendwie sehr enttäuscht, daß ich nun ausgerechnet einen Tag zu spät kam, und so fragte ich vorsichtig, ob ich denn da wohl vielleicht doch noch mitmachen könne. Die Frauenstimme sagte nicht wie erwartet sofort "Nein!", sondern ich erhielt die Antwort, daß dies der Fluglehrer entscheiden müsse, und der sei nun im Fluggelände.

Da prickelte es plötzlich das erste Mal in mir... Vielleicht könnte ich ja tatsächlich noch einsteigen und schon morgen mit dem Fliegen- Lernen beginnen?!

Ich fragte wo das Gelände denn sei, setzte mich sofort (ohne Führerschein...) ins Auto und fuhr die ca. 50 km zu dem angegebenen Schulungsgelände.

Dort angekommen, konnte ich auf dem mir beschriebenen Wiesenhang keine Drachenflieger entdecken. Ich fuhr zu einer nahe gelegenen Gastwirtschaft um dort zu fragen, wo ich das Schulungsgelände, bzw. die Drachenflugschüler mit ihrem Fluglehrer finden könnte.

Im Garten des Restaurants saßen eine Gruppe junger Männer und eine junge Frau an einem runden Tisch. Einer der Männer war offensichtlich etwas älter als die anderen. Ich sah bei der ganzen Gruppe, daß ihre Hosen an den Knien grasgrüne Flecke hatten (nur die des etwas älteren Mannes nicht)...

Das mußten doch eigentlich die Flugschüler mit dem Fluglehrer sein!

Ich sprach die Gruppe an und fragte ob sie die Drachenflieger seien, worauf alle zusammen sofort eifrig bejahten! Ich fragte, wer von ihnen der Fluglehrer wäre, und es war, wie ich ja schon vermutet hatte, der etwas ältere Mann. Er schaute mich anschließend fragend und abwartend an.

Ob ich wohl noch bei dem heute begonnen Flugkurs einsteigen und mitmachen könne, fragte ich ihn daraufhin, und ich spürte erneut ein seltsames Kribbeln in mir, während ich mit klopfendem Herz auf die Antwort wartete.

Er sagte erst einmal gar nichts, sondern blickte in die Runde und zählte kurz demonstartiv die neun Schüler durch. Dann schaute er mich an und bejahte meine Frage.

Mein Herz schlug mir bis zum Hals!

Er stellte uns einander vor und teilte mir den Treffpunkt für den nächsten Morgen mit, denn für heute war die Schulung schon beendet, weil in diesem L- Schein- Gelände nur am Vormittag geschult werden kann (weil am Nachmittag die kalte Tal- Luft von der Sonne weggeheizt ist, und somit dann die Thermik einsetzt, was für die Schulung nicht erwünscht ist, weil die Flugschüler ruhige und unturbulente Luft brauchen um ihre ersten 'Hüpfer' zu üben.).

Als ich wieder nach Hause fuhr konnte ich es kaum fassen:

Morgen würde ich also mit der Drachenflugschulung beginnen!!

Ich machte mir erneut klar, daß ich bei einsetzender Höhenangst oder auch einfach nur mangelndem Mut, jederzeit zum Fluglehrer gehen konnte um ihm mitzuteilen, daß ich ab hier leider mit der Schulung aufhören müsse, und daß es mir den Versuch wert gewesen war...

Wie ich es geschafft habe, weiß ich auch nicht mehre genau, aber ich habe in der Nacht vor dem großen Tag dann doch noch einige Stunden geschlafen.

Als ich aufwachte spürte ich sofort dieses Kribbeln wieder, aber in bislang nicht gekanntem Maß!:

HEUTE würde ich also mit einem Drachen über mir meine ersten Flugversuche machen, und würde vielleicht sogar einige Meter tatsächlich damit FLIEGEN!!

Es war kaum zu fassen!

Als wir dann um etwa 8.00 Uhr morgens endlich am Übungshang ankamen, stellte ich mit einer gewissen Erleichterung fest, daß ich nun nicht an irgendeinem Drachen festgemacht wurde um damit irgendwo hinunter zu rennen oder zu springen, sondern wir lernten erst einmal wie man einen Drachen überhaupt aufbaut und aus welchen Teilen er besteht.

Danach lernten wir (die anderen hatten dies ja am Vortag schon einmal gemacht.) wie man einen Drachen überhaupt in die Hände nimmt, und wie man ihn trägt.

Dann kamen auf ebener Wiese einige Laufübungen, wobei wir ohne daran festgemacht zu sein mit dem Drachen in der Starthaltung gegen den Wind liefen, bis wir spüren konnten, wie das Fluggerät leicht wurde und wie es begann zwischen den Händen zu fliegen.

Beendet wurde jeder dieser Läufe immer durch ein beherztes Vordrücken der Trapezrohre an welchen man den Drachen trägt und führt (und später auch steuert). Durch dieses Vordrücken ging die Nase des Drachens nach oben, und die so in den Wind gestellte Segelfläche bremste den Übungslauf ab.

Dies war tatsächlich schon die erste Landeübung, bevor man überhaupt jemals geflogen war!!

Nachdem diese Laufübung von allen Schülern mehrfach erfolgreich absolviert war, wurden die Gurtzeuge verteilt und angezogen. Dann ging es darum, daß wir die selbe Laufübung (alles auf topfebener Wiese, wohlgemerkt!) wiederholten, nur daß wir dabei schon am Drachen 'festgemacht' (in Drachenflieger- Deutsch "eingehängt") waren.

Dadurch konnte der Drachen beim Laufen nicht so weit hochsteigen wie zuvor, und man spürte, daß sich die Gurtzeugaufhängung spannte. Immer wieder wurde auch jetzt wieder das Rennen mit dem Vordrücken des Drachens beendet, wobei dann der Zug hinten an der Aufhängung des Gurtzeugs spürbar stärker wurde.

Dann sagte Erwin, unser Fluglehrer, daß wir uns das Laufen nun etwas erleichtern werden, in dem wir die in Richtung Hang sanft ansteigende Wiese ein kleines Stückchen nach oben gehen, so daß wir also leicht bergab rennen können. Dabei würden wir durch die etwas höhere Lauf- Geschwindigkeit dann auch spüren, daß der Drachen etwas stärker hinten am Gurtzeug 'zupft'.

Auch diese Übung wurde natürlich jedesmal mit dem Herausdrücken des Trapezes (die Drachen- 'Steuer- Stangen') beendet. Durch die etwas höhere Laufgeschwindigkeit kam es dann plötzlich dazu, daß der Drachen in diesem kurzen Moment des Rausdrückens so sehr an meinem Gurtzeug 'zupfte', daß er mich tatsächlich einen halben Meter in die Luft hob, wobei ja durch das Aufstellen des Flügels die Vorwärts- Geschwindigkeit auch gleichzeitig auf Null reduziert wird.

Es war also ein kurzes senkrechtes Hochgezogen- Werden von etwa einem halben Meter, welches quasi meinen ersten Drachenflug darstellte!

Das lief ja alles völlig anders, als ich mir das vorgestellt hatte!

Dann ging es Schritt für Schritt immer ein kleines Stückchen höher den Hang hinauf, um mehr Laufgeschwindigkeit zu bekommen.

Irgendwann war dann schließlich der Punkt erreicht, wo meine Füße während des Laufens für einen oder zwei Schritte den Bodenkontakt verloren, weil der Drachen zu sehr nach oben zog! Im fast gleichen Augenblick hörte ich auch schon Erwins Stimme:

"Und jetzt drück' ihn raus!"

Dieses Rausdrücken ließ mich dann noch etwas mehr emporsteigen als den halben Meter von zuvor. Da spürte ich zum ersten Mal richtig bewußt, daß diese Konstruktion aus einigen Aluminiumrohren und einigen Quadratmetern Stoff, welche man Flugdrachen oder Hängegleiter nennt, tatsächlich die 'Kraft' hat mich sicher zu tragen!

Mit Höhenangst war natürlich in dieser Phase der Schulung noch nicht zu rechnen, und Mut erforderte es ebenfalls nicht, sondern es war eher ein riesiger Spaß!

Aber die Höhenangst würde ja dann garantiert später irgendwann kommen, dessen war ich mir sicher, denn ich kannte es ja, wie ich mich auf Türmen und hohen Balkonen fühlte...

An diesem ersten Tag übten wir weiter, bis ich wirklich einmal für zwei oder drei Sekunden mit der Laufbewegung der Beine aufhören konnte, während mich der Drachen einige Meter geradeaus und etwa einen Meter hoch über die Wiese schweben ließ.

Ich war begeistert, fasziniert und gleichzeitig auch erleichtert, weil alles viel einfacher gewesen war, als ich es im Stillen befürchtet hatte. Aber das war eben erst der Anfang, sagte ich mir, und das 'dicke Ende' kommt mit Sicherheit noch...

In dieser Nacht schlief ich tief und fest!

Der nächste Tag begann wieder sofort beim Aufwachen mit dem unheimlich erregenden Gefühl, daß es heute weiter den Lernhügel hinauf gehen wird, und daß diese zwei oder drei Sekunden des Schwebens heute um einige Sekunden verlängert werden würden, wobei dann vielleicht zum ersten Mal genügend Zeit bleiben würde, daß ich es richtig erfühlen würde, wie es sich anspürt, wenn man von einem Drachen gehalten über die Wiese schwebt, -- kurz gesagt, wenn man FLIEGT!

Um es nun etwas abzukürzen kann ich folgendes berichten:

Die Schwebezeiten blieben weiterhin zu kurz für das Bedürfnis das Fliegen 'richtig' zu erspüren, obwohl sie Tag für Tag länger wurde, und die Höhenangst blieb weiterhin weg, obwohl ich Tag für Tag höher über die Wiese schwebte!

Alle diese winzigen Gleitflügchen wurden immer durch Erwins Zuruf "Drück!" beendet, was dann öfters zur Folge hatte, daß ich bei der 'Landung' mehr Höhe über der Wiese hatte, als während des Gleitens.

Nun werde ich diesen Bericht definitiv kürzer fassen:

Ich wartete die ganze L-Schein und A-Schein Schulung vergeblich auf meine Höhenangst, und besonderen Mut erforderte die Schulung auch nicht (zumindest nicht in einem Maß, in welchem ich ihn nicht hätte aufbringen können...)!

An dieser Stelle muß ich noch erwähnen, daß speziell die L- Schein- Schulung eines der schönsten Gruppenerlebnisse meines ganzen Lebens war!

Die A- Schein- Schulung wurde dann nicht mehr in einer durchgehend geschlossenen Gruppe absolviert, denn wir konnten unsere vorgeschriebenen Pflichtflüge für die Prüfung leider nicht innerhalb der für den A- Schein geplanten zwei Wochen erreichen, weil das Wetter uns einen Strich durch die Rechnung machte. So wurden dann die Schüler des A- Scheinkurses auf die nächsten Kurstermine verteilt, so wie eben jeder Zeit hatte.

Die 3. Barriere gegen das Fliegen, welche ich als 'Fußgänger' (= Nichtflieger...) in mir aufgebaut hatte, nämlich die, daß man zum Fliegen besonders mutig sein müsse, speziell aber sicherlich mutiger als ich es bin, diese Barriere war dann nach der kompletten Schulung auch so ziemlich durchbrochen!

Hingegen die 4. Barriere, daß man als Flieger keine Höhenangst haben dürfte, die war noch nicht durchbrochen, und so war ich, selbst nach dem ich die Drachenflugprüfung schließlich erfolgreich bestanden hatte, nach wie vor überzeugt, daß mir der Moment noch bevorstand, wo ich wegen meiner Höhenangst meine 'Flugkarriere' stoppen, bzw. stagnieren lassen müßte...

Ich flog nun zwar schon in einem 'richtigen' Drachenfluggebiet an einem Berg mit einer Startplatz- Landeplatz- Höhendifferenz von 830m und mit teilweise etwa 500m bis 600m Luft unterm Bauch (Höhe über Grund), aber ich war noch nie in der Thermik über den Berg aufgestiegen.

Ich sagte mir, daß meine Höhenangst wohl darum noch nicht eingesetzt hat, weil ich immer zwischen den Berghängen, welche links und rechts noch höher waren wie ich, zum Landeplatz flog, und daß meine Höhenangst mit Sicherheit spätestens dann einsetzen würde, wenn ich wie die geübten anderen Drachenflieger hoch über dem Berg fliegen würde, so daß ich von unten nur noch als Pünktchen unter der Wolke zu sehen sein würde.

Ich rechnete damit, daß ich eventuell eine Ausnahme bei den Drachenfliegern werden würde, und daß ich eben wegen meiner Höhenangst immer nur vom Berg ins Tal fliegen können würde, während die Anderen oben bei den Wolken flogen.

Aber das war ja immerhin schon mal ein Teilerfolg, und daß man zum Drachenfliegen besonders mutig sein müsste, war also wie gesagt offensichtlich nicht der Fall.

Ich hatte übrigens während der A-Schein Schulung schon einmal die Vermutung, daß ich eine große Ausnahme unter den Drachenfliegern sein würde, und zwar unabhängig von der Höhenangst, welche ich zu dieser Zeit ja noch während der Schulung erwartete.

Es war während und nach meinem ersten sogenannten Höhenflug, also einem Flug mit einer Startplatz - Landeplatz- Höhendifferenz von mindestens 400 m, in meinem Fall jedoch 700 m, statt wie bisher maximal 100 m.

Mit dieser Höhendifferenz von 700 m war klar, daß wir genug Platz und Zeit haben würden um unsere ersten Vollkreise zu fliegen. Ich erinnere mich noch genau, wie ich eine Weile geradeaus vom Berg weg flog, bis der Sicherheitsabstand zum Hang groß genug war, und wie ich dann eine Kurve einleitete und senkrecht nach unten sah, damit ich beobachten konnte, wann der Vollkreis beendet war, und ich wieder in der ursprünglichen Richtung vom Berg weg flog.

Der bewaldete Hang unter mir begann sich zu drehen...

Nach dem zweiten Vollkreis wurde mir leicht schlecht, und dies während meines ersten Höhenfluges, den ich doch erstens genießen wollte, und den ich zweitens noch mit einer sicheren Landeeinteilung und Landung beenden mußte...

Danach fragte ich ganz vorsichtig einige Mitschüler, ob es dem ein oder anderen vielleicht ähnlich ergangen wäre, aber sie strahlten alle übers ganze Gesicht und ein anderer Drachenflieger (kein Mitschüler) lachte und sagte: "In der Thermik fliegen wir normalerweise Hunderte von Vollkreisen!"

Da war ich dann eine Zeit lang fast sicher, daß sich nun alleine schon deßhalb endlich zeigte, daß ich wie schon von Anfang an vermutet eben nicht der 'Typ' für's Drachenfliegen bin, und daß ich vielleicht die Prüfung noch schaffen würde, dann aber immer nur geradeaus von irgendwelchen Bergen herunterfliegen würde, weil mir vom Kreisen schlecht wird, und weil ich ja voraussichtlich sowieso wegen der Höhenangst nicht wirklich hoch über den Bergen fliegen können würde...

Nun gibt es eigentlich nicht mehr allzuviel davon zu erzählen, wie ich dann dennoch zum leidenschaftlichen Drachenflieger wurde.

Irgendwann fand ich zum ersten Mal den Einstieg in eine aufsteigende Warmluft (Thermik = "Bart" in der 'Drachenfliegersprache') und hatte mir auch von anderen Fliegern sagen lassen, daß man beim Kreisen nicht direkt senkrecht nach unten sehen sollte, sondern eher zu Horizont, und daß es einem dann viel weniger oder gar nicht schlecht werden würde.

Mit diesem Rezept klappte es auch recht gut, so daß ich also irgendwann einmal in einer Thermik so hoch gestiegen war, daß ich den Startplatz und die Autos auf dem Parkplatz unter mir ganz klein wie Spielzeug sah.

Ich unterschlage in diesem Bericht nun eine ganze Menge von einzigartigen Erlebnissen, wie z.B. das erste Rendezvous mit einer großen Wolke, oder die erste hautnahe Begegnung mit einem Raubvogel, der im selben Aufwind kreist...!! Aber es geht mir in diesem Bericht ja hauptsächlich darum, zu vermitteln, wie ich gegen jede vorherige Erwartung zu einem leidenschaftlichen Drachenflieger werden konnte.

Ich war also wie gesagt eines Tages so hoch über meinem Flugberg, daß ich die anderen Drachen, die noch auf dem Aufbauplatz standen, fast nur noch als 'Pünktchen' sehen konnte.

Da fiel mir schlagartig ein, daß ich ja nun von unten betrachtet ein ebenso kleines Pünktchen unter den Wolken war, wie ich es immer wieder bei anderen Drachenfliegern von unten gesehen hatte, und wobei ich mir immer total sicher war, daß spätestens dann, wenn ich selbst einmal so hoch wäre, meine Höhenangst gnadenlos 'zuschlagen' würde.

Sie war aber nach wie vor nicht zu spüren!!!

Ich versuchte mir die Höhenangst bewußt einzureden, denn das Einsetzen meiner Höhenangst auf irgendwelche noch höhere oder spätere Zeitpunkte zu 'verschieben', bzw. zu erwarten, schien nun nicht mehr sinnvoll, bzw. nicht mehr plausibel.

Ich stellte mir also vor, daß mein Drachen mich nun einfach fallen lassen würde...

Ein gewisses 'mulmiges' Gefühl stellte sich ein (aber nicht die Höhenangst, wie ich sie von Balkonen und Türmen kenne!), und meine Hand faßte -- quasi automatisch -- zum Griff des Rettungsfallschirmes, den wir Drachenflieger ja immer mitführen!

Dann passierte es endlich!:

Die vierte und letzte Barriere wurde durchbrochen!!

Ich hatte kaum die Hand am Fallschirmgriff, als ich auch schon die große Höhe als äußerst BERUHIGEND empfand!:

Je höher ich war, desto mehr Zeit hätte ich in einem Notfall, um den Fallschirm in aller Ruhe aus dem Gurtzeug zu ziehen und ihn ohne Hast und gezielt von mir zu werfen!

Endlich war aus mir ein Flieger geworden!

In Verbindung mit meinem Fluggerät und den dazugehörigen Sicherheitssystemen spürte ich endlich die SICHERHEIT, welche die Höhe bedeutet. Gefährlich ist beim Fliegen die Bodennähe, also speziell Start und Landung!

Meine Höhenangst wandelte sich also quasi in 'Tiefenangst' um!

Auf Balkonen und Türmen habe ich jedoch weder Drachen noch Fallschirm bei mir, und der Boden wäre im Falle eines Falles auch innerhalb weniger Sekunden erreicht. Meine Höhenangst auf Balkonen und Türmen wurde seit ich Drachen fliege sogar noch etwas stärker....

***

Inzwischen fliege ich nun seit 12 Jahren mit meinem Drachen, und ich könnte mir ein Leben ohne das Fliegen kaum noch vorstellen!

Erwähnenswert wäre für diesen Bericht nun noch dies, daß es mir immer wieder einmal schlecht wurde beim Fliegen, und daß ich mich auch schon drei mal noch in der Luft erbrochen habe...

Dieses Übelkeitsgefühl stellte sich immer dann ein, wenn ich nach dem Kampf mit dem Aufwind in einer beruhigend großen Startüberhöhung mit dem DENKEN begann...

Wenn ich mir also überlegte, wohin ich mit dieser Höhe nun einmal fliegen könnte, oder auch wenn ich mir plötzlich Gedanken machte, ob ich eigentlich alles sicher im Griff hätte, ob ich z.B. nicht vergessen hatte, die Wolkenentwicklung zu beobachten, sodaß ich es rechtzeitig bemerken würde, falls es zu einem Gewitter käme, und ob ich dann auch rechtzeitig genug die Höhe wieder abbauen könnte, oder auch ob ich die anderen Drachenflieger alle im Blick hatte, und wie denn eigentlich die Vorflugregeln genau sind...

Während solcher 'Bedenken' war ich nicht mehr ganz aktiv und voll konzentriert auf die Steuerung des Drachens (ähnlich wie als Beifahrer in einem Auto, wenn man während der Fahrt in einem Buch liest...). Dann schaukelte der Drachen nur ein oder zwei mal, und mir wurde schlecht...

Seit ich nun eine Anstellung als Nachtportier in einem Hotel habe, kann ich praktisch täglich Drachenfliegen, und siehe da, das Problem(chen) mit der Übelkeit hat sich auf einmal erledigt!



1. Wie ich zum Drachenfliegen kam

3. Chronologie eines Fehlstarts





2.


Mein Brief an einen Freund,

der vor hat,

Gleitschirmfliegen zu lernen


(geschrieben im Jahr 2000)



(Für alle Piloten und DFC-Mitglieder sei noch gesagt, daß ich das Folgende lediglich aus meiner Sicht als Drachenflieger [seit 1988] und eventuell auch mit mangelnden Gleitschirm- Kenntnissen geschrieben habe, wobei ich ehrlich gesagt bei der Beschreibung der ‚Gleitschirm- Nachteile' eher etwas überzeichnet habe...)

Ich nehme an, Richard Bach ist Dir ein Begriff?! ("Die Möwe Jonathan" [Ullstein Buch Nr. 20897])

Wenn ja, dann gleich erst mal die Frage, ob Du auch "Illusionen" Ullstein Buch Nr. 22117) von ihm kennst?!

Jedenfalls lese ich gerade ein (sogar wahrscheinlich für 'Fußgänger' sehr berührendes) Buch von ihm, namens

"Vom Glück des Fliegens" (Ullstein Buch Nr. 20711)!

Ich möchte Dir aber eigentlich mit dieser Mail hauptsächlich etwas sehr Wichtiges mitteilen:

Das *Drachenfliegen* ist der wirkliche 'Menschenflug'!

Das *Drachenfliegen* ist so dynamisch wie der Vogelflug!

Das *Drachenfliegen* ist die minimalste technisch noch SICHERE Flugmöglichkeit!

Das Drachenfliegen ist schöner, anspruchsvoller *und* unendlich viel sicherer als das Gleitschirmfliegen:

Gleitschirme sind nur flugfähig, wenn sie (mehr oder weniger zufällig...) in einem recht kleinen Winkel (so etwa um die 30°) von der Luft angeströmt werden.

Ist dies mal plötzlich nicht mehr der Fall (was in der Thermik regelmäßig vorkommt!!), so verwandelt sich das 'Fluggerät' in einen nutzlosen Stofffetzen...

Fliegt ein Gleitschirm aber tatsächlich mal, ;-) so fliegt er sozusagen alleine, weil der Pilot ca. 10m *unter* seinem Flugzeug wie in einer Kinderschaukel hin und her baumelt...

Das schlimmste aber ist am Gleitschirm, daß es sich dabei um ein (wie oben schon ausgeführt sehr instabiles und ohne Wind auch form- und haltloses) Gleitfluggerät handelt, welches der Pilot (der sich wie gesagt leider gar nicht direkt bei / in seinem 'Flugzeug' befindet...) ***nicht***, oder so gut wie gar nicht BESCHLEUNIGEN kann!!!!!!!

Wie oft bin ich schon mit durchgezogenem Steuerbügel (beim Drachen ist das eine Beschleunigung von ca. 30 km/h auf bis zu ca. 100 km/h!) von irgendwelchen Gefahrenstellen / Situationen *weg*-geflogen!!! Bevor du in die Wolken gesaugt wirst, wo du innerhalb von Sekunden *total* die Orientierung verlierst, kannst du mit dem Drachen einfach 'Gas' geben und von der Wolke wegfliegen (bei Gewitterwolken reicht natürlich auch das Geschwindigkeitspotential des Drachens nicht mehr, aber bei Gewittern hat auch kein *Leicht*-Flugzeug was in der Luft zu suchen, außer den Tod...).

Wenn der Wind auf den Hang steht, und du im Hangaufwindband gegen den Wind über dem Berg 'stehst' (nennt sich 'soaren'), und dann nimmt der Wind plötzlich zu, kannst du mit dem Drachen einfach etwas am Steuerbügel ziehen und 'stehen' bleiben, oder aber auch noch mehr ziehen, und vorwärts vom Hang und Berg wegfliegen. Mit dem Gleitschirm kann man inzwischen bei Fortgeschrittenen-Schirmen (!!) durch Beinstreckersysteme um max. 10 - 15 km/h beschleunigen... Nimmt der Wind aber um 20 km/h zu, fliegt der Gleitschirm, der zuvor gegen den Wind mit seiner Eigen-Trimm-Geschwindigkeit stand, *RÜCKWÄRTS* in Richtung Hang / Berg... Er kommt vielleicht dann schon noch im Hangaufwindband über den Berg (RÜCKWÄRTS!!!), aber dann gerät er automatisch in den Lee-, also den ABWIND-Bereich, wo er von starken Leeturbulenzen und Rotoren in die dortige Landschaft *GEWORFEN* wird (er schlägt also dann mit mehr Abwärtsgeschwindigkeit ein, als er frei fallen würde!!!)!

Wie viele gute, jahrzehntelange Drachenpiloten sind schon am Gleitschirm verunfallt und oft auch gestorben... Meist auch Fluglehrer, die sich aus geschäftlichen Gründen dem Gleitschirmboom mit ihrer Flugschule nicht entziehen konnten...


Der Gleitschirmboom wurde durch folgende 2 Mißverständnisse und 2 Tatsachen ausgelöst:

1. Mißverständnis:

Gleitschirme sind sicherer als Drachen und andere Flugzeuge, "weil man ja von vornherein an einer Art 'Fallschirm' hängt, welcher ja bei allen anderen Fluggeräten das Rettungsgerät darstellt"....

In Wirklichkeit

ist der Gleitschirm aber schon lange kein *FALL*schirm mehr, wie vielleicht ganz am Anfang noch die allererste Generation, sondern dieser 'Fallschirm' wurde Stück für Stück auf mehr Gleitleistung getrimmt, was Stück für Stück leider *nur* auf Kosten der Eigenstabilität und Flugsicherheit möglich war:

Aus einem Fallschirm wurde eine schmale und sensible Tragfläche, die aber leider ohne jede formgebende Verstrebungen blieb.

2. Mißverständnis:

Beim Gleitschirmfliegen betreibt man eine Art 'Jux' (Fun-Sportart...) und noch keine 'richtige' Fliegerei...

In Wirklichkeit

ist der Gleitschirm das unsicherste Flugzeug, das es gibt, und man braucht daher *gerade als Gleitschirmpilot* allerbeste Kenntnisse von Aerodynamik und *speziell* von Meteorologie! (Die Heißluftballone mal ausgelassen...)

1. Tatsache:

Der Gleitschirm ist das am bequemsten transportabelste Fluggerät, das es gibt, und läßt sich mühelos auch alleine starten, wobei auch während der Startphase noch ein Startabbruch möglich ist (was z.B. beim Drachen nicht geht...).

2. Tatsache:

Die Steuerung des Gleitschirmes ist einfacher als bei allen anderen Flugzeugen (weil man eben leider nur durch *ABBREMSEN* der linken, der rechten oder beider Schirmhälften durch das Herunterziehen der Segel- Hinterkante steuert...).

Die Schulung kann schneller und einfacher durchlaufen werden (wobei aus den Fußgängern leider *noch weniger* 'echte' und Wetter- bewußte *PILOTEN* werden können, als dies auch schon beim Drachenfliegen zu bemängeln ist... Bei der Segelflug Schulung sieht das da schon VÖLLIG anders aus!!)

Nun, lieber künftiger Pilotenfreund, dies alles wollte ich dir auf alle Fälle gesagt haben, bevor du dich tatsächlich für den Gleitschirm entscheidest.

Überdenke:

Liebende (fliegerkollegiale:-)) Grüße,

Martin




1. Wie ich zum Drachenfliegen kam

2. Drachen oder Gleitschirm


 3.

Chronologie eines Fehlstarts
(geschrieben im Jahr 2000)




Ich ging heute etwas später zum Fliegen, weil überregional Seiten- bis Rückenwind war, so dass man zum Starten auf Vorwind von der den Hang hochziehenden Thermik angewiesen sein würde.

Zwischen diesen Phasen kommt der Wind dann eben wie er überregional weht, also heute von der Seite bis von hinten (womit wir nicht starten können!) Also gab ich der Sonne noch etwas Zeit zum Heizen.

Als ich dann um 16.15 Uhr auf dem Kandel ankam (das Moped hatte ich schon an den Landeplatz gestellt, und dort hatte ich einen so starken Ost-Nord-Ost-Wind beobachtet, dass ich fast sicher war, dass man heute nicht würde starten können, und ich also nach Besichtigung der Startplatz-Situation ohne erst den Drachen aufzubauen wieder zum Landeplatz fahren, das Moped abholen und nach Hause fahren würde.) sah ich, dass schon vier andere Drachen aufgebaut waren, und dass gerade eine leichte Vorwindphase war.

Ich beriet mich mit den vier Piloten, wobei drei davon altbekannte Vielflieger waren, und der Vierte ein mir (fast) Unbekannter, der auch gestern schon da war und trotz guter Startbedingungen einen miserablen Start gemacht hatte, der fast schiefgegangen war.


Die drei Vielflieger erzählten mir, dass es bis jetzt vereinzelte kurze und schwache Startphasen gegeben hatte, und sonst eben Seiten bis Rückenwind.

Ich war erstaunt, dass überhaupt mal was von vorne kam, weil es am Landeplatz doch so konstant und stark aus der falschen Richtung gewindet hatte.

Ich ging erst mal mit dem ersten auf die Rampe und betrachtete sein Start. Er musste lange warten, erwischte dann aber eine brauchbare Phase und kam dementsprechend auch gut raus. Der zweite startete dann bald darauf, und auch bei ihm begutachtete ich erst mal noch die Wind- und Startsituation, bevor ich meinen Drachen aufbaute. Der dritte Vielflieger kannte den Gastpilot anscheinend besser, und die zwei saßen auf der Rampe rum und unterhielten sich, während ich aufbaute.

Es war ja nun auch nicht mehr so früh, und es war durchaus möglich, dass die Startphasen gegen Abend einschlafen bis verschwinden würden, also beeilte ich mich mit dem Aufbauen, während ich die Rampe und den Windsack immer wieder beobachtete. Es waren nach wie vor vereinzelte startbare Phasen. Ich kenne ja nun den Kandel sehr gut, und ich malte mir aus, dass ich sicherlich lange warten müsste, wenn der Gastpilot noch vor mir auf die Rampe gehen würde, weil er wahrscheinlich sehr lange auf 'seine' Startphase warten würde, wobei sicherlich viele für mich startbare Phasen ungenützt verstreichen würden.


Ich war also dabei mich zügig startbereit zu machen.

Als ich fast fertig war (Handschuhe und Helm aufsetzte), gingen die zwei von der Rampe zu ihren direkt vor der Rampe aufgebauten Drachen und der Gastflieger zog sein Gurtzeug an. Ich war eigentlich schon startklar und hätte mich wohl auch ganz knapp vor ihm vorbei auf die Rampe begeben können...

Er stand aber wie gesagt fast direkt vor der Rampe, und ich fand, dass es irgendwie blöde und drängelnd aussehen würde, wenn ich meinen Drachen nun vor ihm vorbei und auf die Rampe tragen würde, zumal dafür ja auch kaum Platz genug war. Also beschloss ich, dass ich halt nach ihm starten würde. Sein Freund war mit ihm auf der Rampe und ich fix fertig gerichtet mit eingeschaltetem Variometer am Anfang von der Rampe am Warten.

Ich hörte, wie er seinen Freund fragte, ob die Windfahne zur Rechten auch bedeutsam sei, und ich hörte an seinem Ton seine starke Unsicherheit, die ihm am Tag zuvor ja beinahe einen Fehlstart eingebracht hätte.

Vorher, als ich die Lage gecheckt hatte, und bevor ich ans Aufbauen gegangen war, hatte ich zu ihm gesagt: "Heute kannst du zeigen, was du im L-Schein gelernt hast!" (Im L-Schein lernt man ausschließlich Starten und Landen...)

Ich sah wie er den Drachen aufnahm und bemerkte sofort an seiner Haltung und seinen Schwankungen, dass er sehr unsicher ist.

Alles in allem waren es zusammengenommen solche Umstände, bei denen ich früher als Anfänger etliche Male wieder rückwärts von der Rampe gegangen war und oben wieder abbaute, wobei ich lernen musste, mit dem Spott der Zuschauer fertig zu werden.

Er hingegen rannte plötzlich los, und ich hörte im gleichen Augenblick, wie sein Freund ihm hinterher rief: "RENN!! RENN!!" Ich sah die beiden Flügelspitzen sehr sehr tief links und rechts von der Rampe nach unten verschwinden und hielt die Luft an...

Nach etwa 5 bis zehn Sekunden hörte ich dann das hässliche, lange nicht mehr gehörte aber dennoch allzubekannte Geräusch des in den Bäumen, hängenbleibenden Drachen...

Sein Freund rannte im selben Moment von der Rampe runter auf mich zu und winkte mir mit dem Arm zum Mitkommen. Ich stieg aus dem Gurtzeug und rannte die Rampe hoch, um zu sehen wo er hängt. dann rannte ich dem anderen hinterher und wir kämpften uns durch ein Brennesselmeer in Richtung des Baumes, in dem er ganz oben drin hing. Wir riefen ihm zu ob er verletzt sei, und er antwortete, dass er in Ordnung sei.

Ich rief ihm zu, er solle sich wenn möglich am Baum sichern und oben bleiben, und wir würden Leitern und Seile, sowie Steigeisen holen. Dann ging ich zur Rampe zurück, unter welcher dieses ganze Bergungszubehör verstaut ist. Ich brachte den Seilrucksack und die Steigeisen hinunter, während ein Motorradfahrer (ein guter Freund von mir, der zufällig da war) und der andere Pilot die Auszieh-Leiter brachten. Ich rief dem Bruchpilot zu, er solle seine Rettungsschnur hinunter lassen, damit ich ein Bergsteigerseil daran festmachen könnte, welches er dann an der Rettungsschnur hochziehen und sich damit am Baumstamm und den Ästen sichern könnte.

(Die Rettungsschnur ist eine dünne sehr reißfeste Schnur mit einem Bleigewicht, die man zwischen den Ästen gut zu den Rettern hinunterlassen kann. Es ist für alle Drachenflieger Pflicht, diese Rettungsschnur immer im Gurtzeug mitzuführen.)

Der Bruchpilot war aber schon aus dem Gurtzeug ausgestiegen und hatte begonnen ohne Sicherung den Baum hinab zu klettern, was aber höchstens bis ca. 10 Meter über den Boden funktionieren konnte, weil der Baum darunter keine Äste mehr hatte, und was gegen jede Notfallvorschrift verstößt...

Ich machte mir ernsthafte Sorgen, dass er nun zuguterletzt noch abstürzen könnte, und befahl ihm oben zu bleiben und sich so gut als möglich am Baum zu sichern, bis wir die Leiter in Position gebracht hätten. Gott sei Dank befolgte er dies. Wir stellten dann die Leiter zu dritt etwas entfernt vom Stamm senkrecht auf und fuhren den oberen Teil nach oben aus, was ein ziemlicher Balance- und Kraftakt war. Dann lehnten wir die Leiter an den Stamm und erkannten, dass sie hoch genug war, um von ihm erreicht werden zu können.

Er kletterte dann vorsichtig dort hin und stieg schließlich unversehrt die Leiter hinab!

Er wollte allerdings gleich wieder rauf, um zu beginnen seinen Drachen zu bergen. Wir redeten ihm das aus und machten ihm klar, dass dieses Unterfangen für uns vier zu schwierig und zu gefährlich ist, und dass dies eine Arbeit für die dafür ausgerüstete Bergwacht ist, deren Einsatz ja auch von seiner Pflichtversicherung bezahlt werden wird. Er sah es ein, und wir trugen unsere Utensilien wieder den (sehr steilen...) Berg rauf.

Oben angekommen sah ich, dass Vorwind an der Rampe war. Ich beschloss im gleichen Moment, dass ich noch starten würde.

Erst suchten wir noch die Nummer von der Bergwacht, riefen an, und dann machte ich mich erneut startklar.

Oben auf der Rampe konzentrierte ich mich auf die Windanzeiger, entschied mich für eine günstige Phase, startete gut und sicher (über das Havariegerät hinweg...) und drehte genau vor der Rampe in einen schwachen Aufwind ein.

Ich brauchte etwa 5 bis 10 Minuten, bis ich dann endlich einen Bereich stärkeren Steigens fand, der mich über den Berg beförderte.

Ich flog dann eine gute Stunde und bis zu 400 m direkt überm Kandel und schaute von oben zu, wie die Bergwacht kam, und wie sie mit der Bergungsaktion begannen.

Dann ließ die Thermik immer mehr nach (es war ja auch schon 18.30 Uhr) und ich flog zum Landeplatz, wo ich eine gute Landung machte. Ich fuhr mit dem Moped auf den Berg und begrüßte meine brave Stella! :-))

Dann ging ich noch mal auf die Rampe und sah, dass die Bergwacht noch nicht viel weiter gekommen war: Der Drachen hing noch genauso da wie zuvor...

Daraufhin wendete ich dem Flugtag den Rücken zu und fuhr heim, wo ich mich in die Badewanne legte und gleich anschließend zur Arbeit aufbrach.

Es war ein aufregender, lehrreicher und schließlich trotz allem noch

wunderschöner Flugtag!!!

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1. Wie ich zum Drachenfliegen kam

2. Drachen oder Gleitschirm

3. Chronologie eines Fehlstarts




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